210.379 (24S) Radikale Aufklärung

Sommersemester 2024

Anmeldefrist abgelaufen.

Erster Termin der LV
07.03.2024 13:30 - 15:00 Online Off Campus
Nächster Termin:
02.05.2024 13:30 - 18:30 HS 9 On Campus

Überblick

Lehrende/r
LV-Titel englisch Radical Enlightenment
LV-Art Vorlesung
LV-Modell Präsenzlehrveranstaltung
Semesterstunde/n 2.0
ECTS-Anrechnungspunkte 4.0
Anmeldungen 66
Organisationseinheit
Unterrichtssprache Deutsch
mögliche Sprache/n der Leistungserbringung Englisch , Französisch
LV-Beginn 07.03.2024
eLearning zum Moodle-Kurs
Seniorstudium Liberale Ja

Zeit und Ort

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LV-Beschreibung

Intendierte Lernergebnisse

Erarbeitung eines differenzierten und kritisch-reflexiven Zugangs zu den Themenfeldern Aufklärung,Religionskritik, Ideologiekritik, Verhältnis von Glauben und Wissen sowie zum Thema Philosophiegeschichte allgemein; Einführung in zentrale Themen und Traditionslinien aufklärerischen Denkens in Europa anhand spezifischer Positionen und Fragestellungen der Aufklärung(en) des 18. Jahrhunderts; methodisch-systematische Erschließung der relevanten Fragestellungen anhand konkreter Texte mittels philologisch-kritischer, begriffskritischer und begriffsgeschichtlicher Verfahren. 

Lehrmethodik

Vortrag; Diskussion; diskursive Erörterung von gemeinsam gelesenen Texten (diese werden den TeilnehmerInnen zur Verfügung gestellt) und Filmausschnitten.

Inhalt/e

Der Begriff „Radical Enlightenment“ ist relativ jung, er wurde wohl von Margaret Jacob im späten 20. Jahrhundert geprägt. Bezeichnen soll er konsequent gedachte und auch so formulierte Positionen aufklärerischen Denkens. Konkret geht es dabei vor allem um teils sehr grundlegende Religionskritik sowie eine Kritik der politischer, sozialer und kultureller Privilegien von Aristokratie und Klerus. Diese Themenverschränkung war durchaus konsequent und schlüssig, gründeten doch das Selbstverständnis von Adel und Klerus sowie auch die im 18. Jahrhundert in Europa vielfach (in mehreren europäischen Staaten bis ins 20. Jahrhundert) gepflogene Allianz von Thron und Altar zumindest in ideologischer Hinsicht auf theologische Lehren und religiöse Dogmen. Der Radikalaufklärung zugerechnet werden meist insbesondere Denis Diderot, Paul Henry Thiry d’Holbach, Julien Onfray de La Mettrie, und nicht zuletzt ein so prononcierter Religionskritiker Jean Meslier.

Alltagssprachlich hat das Wort radikal heute einen (prinzipiell unverdienten) Hautgout, doch wird es von Autor:innen wie Margaret Jacob, Jonathan Israel oder Philipp Blom wohl durchwegs konsequent in einem wörtlichen Sinn verstanden, dem das lateinische Nomen radix, Wurzel, zugrunde liegt. Inkonsequenzen und Inkohärenzen älterer aufklärerischer Positionen, Übervorsicht und Restbestände von Heuchelei sollten hinterfragt und ausgeräumt werden. Dass es dabei vor allem die Frage religiöser Sichtweisen ging, liegt auf der Hand, war aber zugleich in höchstem Maße gefährlich, auch in Hinsicht auf persönliche Gefährdung (drastische, teils äußerste Strafen drohten insbesondere für Blasphemie). Insofern schrieb etwa der erwähnte Abbé Jean Meslier seine Gedanken vermutlich ohne Veröffentlichungsabsicht nieder. Sie gelangten erst nach dem Ableben des Autors unter dem Titel „Testament de Jean Meslier“ zur Publikation (1791). Mesliers Positionen sind sehr konsequent, so vertrat er etwa die Auffassung, dass „[a]lle Religionen […] nichts“ seien „als Irrtümer, Einbildung und Betrug“ (Krauss 2005, 85). Anders als der wohl im späten 17. Jahrhundert entstandene und anonym veröffentlichte „Traité des trois Imposteurs“ beschränkte sich Meslier keineswegs auf polemische Feststellungen (oder Behauptungen), sondern suchte seine Thesen mittels ausführlicher Beweisführung zu untermauern. Die Konsequenzen, die er zog, waren durchaus konsequent zu Ende gedacht und schonungslos. Insofern unterscheidet sich Mesliers Ansatz beispielsweise etwa auch deutlich von Kants gleichfalls Ende des 18. Jahrhunderts veröffentlichter „Religion innerhalb der Grenzen der bloßen Vernunft“, in der (abgesehen von Kants Überlegungen zu Aspekten der conditio humana, die einer rückhaltlosen Orientierung an dem, was Kant Sittengesetz nannte, entgegenstünden) ein nachhaltiges Schwanken bemerkbar ist zwischen einer kritischen Auseinandersetzung mit religiösen Praktiken und dem Versuch, religiöse Dogmen philosophisch zu nobilitieren. Solches Vorgehen wäre eben durchaus exemplarisch für jene aufklärerischen Ambiguitäten und Bedenken, gegen die sich radikale Aufklärung gewandt hatte.

Fortsetzungen radikal-aufklärerischen Denkens im hier skizzierten Sinn haben sich später eher nur vereinzelt gefunden, sie sollen allerdings in der Vorlesung so wenig fehlen wie die Frage, welche Anknüpfungs- und Adaptionsmöglichkeiten sich heutigem Philosophieren bieten (gerade im Bereich der Religions- und Ideologiekritik zweifellos gar manche).

Literatur

Anonymus: Traktat über die drei Betrüger. Französisch/Deutsch. Kritisch hg., übers., kommentiert u. mit einer Einleitung versehen v. Winfried Schröder (Hamburg 1992).

Blom, Philipp: Böse Philosophen. Ein Salon in Paris und das vergessene Erbe der Aufklärung (5. Aufl. München 2017).

Cavallar, Georg: Gescheiterte Aufklärung? Ein philosophischer Essay (Stuttgart 2018).

Donhauser, Gerhard: Angst und Schrecken. Beobachtungen auf dem Weg vom Ausnahmezustand zum Polizeistaat in Europa und den USA (Wien 2015).

Donhauser, Gerhard: Das Böse bleibt. Philosophische Bewältigungsversuche einer un-heimlichen Erbschaft (Wien 2019).

Flasch, Kurt: Warum ich kein Christ bin (München 2013).

Freud, Sigmund: Der Mann Moses und die monotheistische Religion (1939). In: Freud, Sigmund:  Fragen der Gesellschaft. Ursprünge der Religion (= Freud, Sigmund, Studienausgabe, Bd. IX.; hg. v. Alexander Mitscherlich et al. Sonderausgabe Frankfurt am Main 2000) 455–581.

Garcés, Marina: Neue radikale Aufklärung. Aus dem Katalanischen v. Charlotte Frei (Wien 2019).

Israel, Jonathan I. (Hg.): Radikalaufklärung (Berlin2014).

Jacob, Margaret C.: The Radical Enlightenment. Pantheism, Freemasons and Republicans (London 1981; 2nded. London 2003).

Krauss, Hartmut (Hg.): Das Testament des Abbé Meslier. Die Grundschrift der modernen Religionskritik (2., mit einer Einl. vers. Aufl. Osnabrück 2005).

Kant, Immanuel: Die Religion innerhalb der Grenzen der bloßen Vernunft, in: Kant, Immanuel: Die Metaphysik der Sitten (= Kant, Immanuel: Werkausgabe, Bd. VIII; hg. v. Wilhelm Weischedel. 11. Aufl. Frankfurt am Main 1997) 645 – 879.

Mauthner, Fritz: Der Atheismus und seine Geschichte im Abendlande I (Berlin 1924).

Muslow, Martin: Moderne aus dem Untergrund. Radikale Frühaufklärung in Deutschland 1680 – 1720 (Hamburg 2002).

Saint Victor, Jacques de: Blasphemie. Geschichte eines „imaginären Verbrechens“ (Hamburg 2017).

Strenger, Carlo: Zivilisierte Verachtung. Eine Anleitung zur Verteidigung unserer Freiheit (6. Aufl. Berlin 2017).

Prüfungsinformationen

Im Fall von online durchgeführten Prüfungen sind die Standards zu beachten, die die technischen Geräte der Studierenden erfüllen müssen, um an diesen Prüfungen teilnehmen zu können.

Prüfungsmethode/n

  • Mündliche Prüfung (primäre Prüfungsmethode)
    Konkret: 4 Fragen, Thesen, Zitate, von denen 2 ausgewählt und erörtert werden sollen. Wir unterhalten uns im Rahmen einer Videokonferenz.
    Keine Ja-Nein-Fragen und auch keine reine Reproduktion von „Faktenwissen“; erbeten sind Ausführungen (in Form vollständiger Sätze), die ein gewisses Maß an kritischer Auseinandersetzung mit den gewählten Themen erkennen lassen. Die Fragen werden weit genug formuliert sein, um ganz unterschiedliche Zugänge zu ermöglichen. Die Ausführungen können wahlweise auf Deutsch oder Englisch, gerne auch auf Französisch erfolgen. Den Reader können Sie gerne zur Prüfung mitnehmen.
    Zeitrahmen für die Prüfungen: jeweils ca. 20 Minuten.
    4-5 Prüfungstermine, bedarfsorientiert.
  • Kleine  Arbeiten als Alternative zur mündlichen Prüfung. In diesem Fall wären 3 Texte zu erörtern. 
  • Referate (als dritte mögliche Variante).
  • Mitarbeit bzw. wiederholte Diskussionsteilnahme während der VO ist ausdrücklich erwünscht und kann – ausschließlich in positivem Sinne – in die Note einfließen. 

Prüfungsinhalt/e

Themen der VO

Beurteilungskriterien/-maßstäbe

Eine eigenständige, reflektierte Beschäftigung mit den Themen der LV soll im Rahmen der Prüfung (VO), eines allfälligen Referats sowie von Diskussionsbeiträgen erkennbar sein.
Wichtiger als die Reproduktion von Wissensbeständen ist aus meiner Sicht erkennbare Beschäftigung mit Themen und Problemstellungen der VO. Deshalb werden bei der Prüfung offene Fragen gestellt, die in so beantwortet werden sollen, dass eine kohärente und konsistente Argumentation Ausdruck findet, desgleichen eine zumindest rudimentäre Beschäftigung mit themenrelevanter Literatur und Bezugnahme auf diese. Im Übrigen wird jede Form von Mitarbeit positiv bewertet, auch dies fließt insofern in die Beurteilung ein.

 

Beurteilungsschema

Note Benotungsschema

Position im Curriculum

  • Bachelorstudium Philosophie (SKZ: 541, Version: 20W.1)
    • Fach: Geschichte der Philosophie (Wahlfach)
      • 2.1 VO aus Geschichte der Philosophie ( 0.0h VO / 4.0 ECTS)
        • 210.379 Radikale Aufklärung (2.0h VO / 4.0 ECTS)
          Absolvierung im 1., 2., 3., 4., 5. Semester empfohlen
  • Bachelorstudium Philosophie (SKZ: 541, Version: 20W.1)
    • Fach: Geschichte der Philosophie (Wahlfach)
      • 2.4 VO/PS/SE aus Geschichte der Philosophie ( 0.0h VO, PS, SE / 16.0 ECTS)
        • 210.379 Radikale Aufklärung (2.0h VO / 4.0 ECTS)
          Absolvierung im 1., 2., 3., 4., 5. Semester empfohlen
  • Bachelorstudium Philosophie (SKZ: 541, Version: 20W.1)
    • Fach: Thematische Vertiefung (Wahlfach)
      • VO/PS/SE aus Geschichte der Philosophie/ Theoretische Philosophie/ Praktische Philosophie ( 0.0h VO, PS, SE / 12.0 ECTS)
        • 210.379 Radikale Aufklärung (2.0h VO / 4.0 ECTS)
          Absolvierung im 6. Semester empfohlen
  • Bachelorstudium Philosophie (SKZ: 541, Version: 16W.1)
    • Fach: Geschichte der Philosophie (Wahlfach)
      • Geschichte der Philosophie ( 0.0h VO, PS, SE / 32.0 ECTS)
        • 210.379 Radikale Aufklärung (2.0h VO / 4.0 ECTS)
          Absolvierung im 1., 2., 3., 4., 5., 6. Semester empfohlen
  • Masterstudium Philosophie (SKZ: 941, Version: 10W.1)
    • Fach: Theoretische Philosophie und ihre Geschichte (Wahlfach)
      • Theoretische Philosophie und ihre Geschichte ( 0.0h XX / 24.0 ECTS)
        • 210.379 Radikale Aufklärung (2.0h VO / 4.0 ECTS)

Gleichwertige Lehrveranstaltungen im Sinne der Prüfungsantrittszählung

Diese Lehrveranstaltung ist keiner Kette zugeordnet