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Titel: Der literarische Text als interkontextuelle Schnittfläche. Zum Verhältnis von Interpretation und Kommentar in der Online-Edition am Beispiel Musil
Beschreibung:

Warum gehört ein Kommentar zur (Text-)Edition? Weil er nicht interpretiert. Sehr wohl aber kontextualisiert er den edierten Text und beleuchtet damit dessen Status als Inter(kon)-Text. Inter(kon)-Textualität bietet sich in dieser Perspektive als Konkretisierung dessen an, was der gebräuchlichere Begriff Interdiskursivität bezeichnet. Den interdiskursiven Kontext, in den ein literarischer Text eingebettet ist, sichtbar zu machen, ist die vorrangige Aufgabe eines Online-Kommentars, wie er im Zusammenhang mit dem Internetportal MUSIL ONLINE am Robert-Musil-Institut für Literaturforschung / Kärntner Literaturarchiv in Klagenfurt entwickelt wird.

Im Anschluss weniger an das von Foucault inspirierte, strukturalistisch-diskursanalytisch informierte Verständnis von Interdiskurs im Sinne von Link denn vielmehr an die u. a. von Merlio und Raulet vertretene kulturwissenschaftlich-diskursgeschichtliche Auffassung von Interdiskursivität als Krisenbewußtsein empfiehlt es sich mit Blick auf die editionsbezogene Kommentierungsaufgabe, Interdiskurs nicht als ein zwischen verschiedenen Spezialdiskursen angesiedeltes Feld, sondern als das Medium eines Austauschs zwischen solchen Diskursen zu begreifen. Damit ist freilich nicht deren Austauschbarkeit behauptet, wohl aber die Möglichkeit zur Annäherung des scheinbar Verschiedenen, ja Entgegengesetzten, die sich einerseits im kommunikativen Spiel von Antwort und Gegenantwort zumindest formal, in Wortwahl, Stil und Ton gleichsam von selbst ereignet, die andererseits aber von bestimmten Autoren, besonders Literaten (darunter zweifelsohne Musil), bewusst ergriffen, gesteigert und regelrecht übertrieben wird. Bei dieser Annäherung, die die Form einer Entstellung zur Kenntlichkeit annimmt (wie beispielsweise an Musils Einlassungen zu Spengler deutlich wird), wird die Grenze von Text und (Selbst-)Interpretation schon vom literarischen Text selbst überschritten, der Text ist sein eigener Paratext oder genauer: ein gewissermaßen zur x-ten Potenz erhobener Intertext, wie Gunther Martens für Musil und Broch überzeugend dargelegt hat: „In den literarischen [Inter-]Diskurs Musils und Brochs gehen andere Diskurse […] auf sehr reflektierte Weise ein; das hat zur Folge, dass interpretatorische Arbeit hin und wieder vom Text schon vorweggenommen wird [...]." Dabei können diese anderen Diskurse sowohl zueinander als auch zum Autordiskurs jederzeit in einem Verhältnis von Rivalität und Bündnis stehen, um eine Formel von Ulrike Pisiotis (2012) aufzugreifen, die auf das Verhältnis von Wissenschaft und Literatur in der Moderne gemünzt ist und auch von ihr unter anderem an Musil erprobt wird.

Der interdiskursive Kommentar nun spielt dieses Spiel nicht selbst mit und weiter, sondern zielt darauf ab, den Lesenden (Inter-)Kontexte zu liefern, in denen sie sich nach Maßgabe ihres jeweiligen Interesses am kommentierten Text frei bewegen können, um die Art und Weise nachzuvollziehen, wie der Text sich selber kommentiert und interpretiert – was ihn allererst für weitere Kommentare und Interpretationen durch Dritte öffnet. Insofern vermag nicht nur, wie der Call für die Sektion in den Raum stellt, die Interpretation die (Text-)Edition zu hinterfragen, sondern auch umgekehrt die Edition (inklusive Kommentar) die Interpretation – wofür der Vortrag ausgewählte Beispiele aus der laufenden Projektarbeit MUSIL ONLINE – interdiskursiver Kommentar zur Diskussion stellen wird.

Schlagworte: Text, Kontext, Intertext, Interkontext, Edition, Kommentar, Interpretation, Literatur, Robert Musil, Roland Barthes
Typ: Angemeldeter Vortrag
Homepage: http://ivg2020.unipa.it/
Veranstaltung: XIV. Kongress der Internationalen Vereinigung für Germanistik (IVG) „Wege der Germanistik in transkulturellen Perspektiven“ (Palermo)
Datum: 31.07.2021
Vortragsstatus: stattgefunden (online)

Zuordnung

Organisation Adresse
Fakultät für Kultur- und Bildungswissenschaften
 
Robert Musil-Institut für Literaturforschung - Kärntner Literaturarchiv
Bahnhofstraße 50
9020 Klagenfurt am Wörthersee
Österreich
  -992902
   musil@aau.at
http://www.aau.at/musil/
zur Organisation
Bahnhofstraße 50
AT - 9020  Klagenfurt am Wörthersee

Kategorisierung

Sachgebiete
  • 602014 - Germanistik
  • 603113 - Philosophie
Forschungscluster Kein Forschungscluster ausgewählt
Vortragsfokus
  • Science to Science (Qualitätsindikator: n.a.)
Klassifikationsraster der zugeordneten Organisationseinheiten:
TeilnehmerInnenkreis
  • Überwiegend international
Publiziert?
  • Nein
Arbeitsgruppen Keine Arbeitsgruppe ausgewählt

Kooperationen

Keine Partnerorganisation ausgewählt